Spieler moderner Rollenspielsysteme sind ziemlich verwöhnt, was die Ausgestaltung und die Überlebenschancen ihrer Larger-Than-Life-Charaktere betrifft. Viele Systeme erlauben dem Spieler eine sehr detaillierte und baukastenartige Charaktererschafung und geben den zu Beginn schon mit allen möglichen Talenten, Feats und Powers ausgestatteten Charakteren alle möglichen Gimmicks (Healing Surges, Edge-Points, Schicksalspunkte) an die Hand, um möglichst nicht mitten im Abenteuer zu sterben.
Das war früher anders!
Bei den ersten Rollenspielen, wie z.B. dem originalen Dungeons & Dragons-Set, oder auch Classic Traveller ist die Charaktererschaffung recht zufallsbasiert. Man erwürfelt die grundlegenden Attribute und kann sich dann eine Charakterklasse aussuchen, die zu den erwürfelten Werten passt. Bei Traveller kann es sogar sein, dass man die gewünschte Karriere nicht einschlagen kann, da man dort abgelehnt und dann zufällig von einem anderen Dienst (meist Militär) zwangsverpflichtet wird. Wenn man ganz viel Pech hat, kann ein frischgebackener Charakter noch während seiner Erschaffung sterben (Was aber durchaus seinen Sinn hat, denn die Charaktererschaffung bei Traveller ist selbst ein kleines Spiel im Spiel und macht viel Spaß!). Es kann sein, dass am Ende ein ziemlich unbrauchbar erscheinender Charakter dabei herauskommt, mit niedrigen Attributswerten und nur 1 oder 2 Skills, und dennoch wird dem Spieler im Regelwerk dazu geraten, den Charakter ins Spiel zu übernehmen. Wenn man seine Fantasie walten lässt, kann so eine erstmal unzureichend erscheinende Ansammlung von niedrigen Ziffern mit Namen durchaus eine interessante Persönlichkeit abgeben. Natürlich kann ein Spieler aber auch einfach mehrere Charaktere erwürfeln und dann denjenigen spielen, der ihm am meisten zusagt. Die anderen Charaktere kann der Spielleiter aufbewahren und sie als Nichtspielercharaktere nutzen (Eine clevere Methode, um die Spieler für sich arbeiten zu lassen!).
Traveller und andere alte Rollenspielsysteme haben also eher eine "Nimm was du kriegst und spiele die Karten, die du auf der Hand hast"-Attitüde, welche sich ziemlich von modernen Herangehensweisen unterscheidet, aber durchaus seinen Reiz haben kann.
Frisch gebackene Charaktere in Oldschool-Systemen und auch bei Traveller sind zudem ständig vom Tode bedroht! Das Traveller-Kampfsystem ist allgemein ziemlich tödlich, und auch bei D&D ist ein neu ins Abenteurerleben getretener Charakter mit seinen 1 bis 6 Lebenspunkten schnell mal nach einem erfolgreichen Treffer des Gegners tot. Dies sehe ich nicht als Nachteil, denn es macht das Abenteuer zu einem echten Thrill und die Charaktere sind oft auf andere Methoden, als direkten Kampf angewiesen, um ihre Gegner zu überwinden. Auch hier sind die Fantasie und lebhafte Beschreibungen durch die Spieler gefragt.
Die Classic Traveller -Regeln bieten noch zahlreiche weitere Möglichkeiten für die Charaktere, frühzeitig den Tod zu finden, denn interstellare Reisen sind extrem gefährlich: Fehlsprünge (die mit zerstörtem Schiff, oder ohne Treibstoff in leeren Weltraumgebieten enden), kritische Treffer im Raumkampf (die das Schiff komplett vaporisieren können), explosive Dekompression von Schiffssektionen (auf denen zufällig gerade Charaktere herumlaufen), oder das Nicht-Überleben von Reisen im Kälteschlaf. All diese Faktoren führen dazu, dass die Charaktere sehr genau überlegen müssen, was sie wie tun. Sie können sich nicht auf übertriebene Superkräfte oder Schicksalspunkte verlassen (Das Konzept von Edge-Points/Schicksalspunkten hat ja schon auch etwas von erlaubtem Schummeln an sich...) sondern allein auf ihre tatsächlichen Fähigkeiten und auf die Fantasie der Spieler. Umso größer ist die Freude über erfolgreich abgeschlossene Abenteuer, überlebte Kämpfe und gemeisterte Schwierigkeiten. Und selbst wenn ein Charakter sterben sollte, ist dies ja auch ein Teil der Geschichte! Passiert dies relativ zu Beginn einer Charakterlaufbahn, ist es nicht allzu schlimm, denn ein neuer Charakter ist schnell zur Hand. Existiert der Charakter schon lange und ist wichtiger Teil der Story, ist es umso dramatischer und sorgt warscheinlich für ein Abenteuer, welches man nicht so schnell vergisst. Man denke an Game of Thrones - Bei der Serie gehört der Tod von Protagonisten einfach dazu und dadurch ist eine extreme Grundspannung gegeben...man möchte eben wissen, wer am Ende überlebt und das Ableben wichtiger Personen sorgt immer wieder für Highlights in der Story (wenn auch traurige...).
Fazit: Oldschool-Rollenspiele sind ziemlich hardcore und bieten Charakteren wenige Sicherheiten, aber wenn man das als Spielelement ernst nimmt, kann man viel Spaß haben! Schließlich spielt man Abenteurer, und was wäre ein Abenteuer, wenn es nicht riskant ist! Die Credits, die am Ende herausspringen, haben sich die Charaktere dann auch wirklich verdient! Und auch anfangs schwächlich und blass erscheinende Charaktere können, wenn sie mutig und clever sind (und überleben), mit der Zeit, eben durch die genannten überstandenen Risiken zu interessanten, ernstzunehmenden und respektablen Persönlichkeiten werden.
Bis bald!
Der Spielleiter
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