Sonntag, 5. April 2020

Spielvorstellung: Marc Miller´s Traveller (T4)

Nachdem hier auf dem Blog lange Zeit Funkstille herrschte, habe ich endlich mal wieder Zeit, neue Artikel zu posten (Dank Corona...)! Diesmal werde ich meine Artikelserie zum Thema Traveller weiter fortsetzen.

Nachdem ich ja schon eine Menge über Classic Traveller geschrieben habe, wende ich mich nun mal einer neueren Edition des Spiels zu, und zwar der nach Classic Traveller (CT), Megatraveller (MT) und Traveller: The New Era (TNE) vierten Version namens Marc Miller´s Traveller (T4), die von 1996 bis 1998 von Imperium Games vertrieben wurde.

Ich sage es schonmal vorweg: Die vierte Edition meines Lieblingsspieles hat eine sehr schlechte Reputation! Das liegt vor allem am relativ mißlungenen Editing und einigen Fehlern des Grundregelwerks. Aber ist T4 wirklich sooo schlecht, wie viele behaupten? Ich denke nicht!

Es stimmt zwar, dass sich im Text des Grundregelwerks viele ärgerliche Rechtschreibfehler und ein paar Unstimmigkeiten finden, zum Beispiel fehlt eine wichtige Tabelle im Kapitel über Raumschiffs-Konstruktion. Zudem sind die enthaltenen Tabellen teils recht chaotisch in den Gesamttext eingefügt worden und hier und da gibt es ein paar verwirrende Formulierungen. Aber dennoch finde ich das Gesamtwerk garnicht so schlimm, wie befürchtet.

Alles in Allem ist T4 eine weiterentwickelte Fassung der alten Classic Traveller-Regeln, viele Textpassagen wurden sogar eins zu eins aus den alten Grundregeln übernommen, aber an vielen Stellen stark erweitert, oder etwas verändert. Einiges wurde auch ganz neu ins Spiel eingebracht.

Zum Beispiel wird in T4 ein neues Task-System eingeführt, bei dem man mit 2, oder mehr W6 einen Zielwert unterwürfeln muss (im Gegensatz zu CT oder Megatraveller, bei denen man Erfolg hat, wenn der Zielwert mit 2W6 übertreffen wird). Während der Spielleiter bei CT, zumindest, wenn man by the book spielt, bei jedem Fertigkeitswurf für jede Fertigkeit ins Regelheft schauen muss, um zu sehen, welche Zuschläge addiert werden, geht dies bei T4 ganz einfach und einheitlich: Der Spieler addiert seinen Fertigkeitswert zu einer passenden Grundeigenschaft und hat damit den Zielwert, der vom Spielleiter noch modifiziert werden kann. Dann legt der Spielleiter eine Schwierigkeit für den Wurf fest, die darüber bestimmt, wieviele Würfel geworfen werden müssen. Dabei kann es sein, dass man auch "halbe Würfel", also 1W3, werfen muss, was wohl viele abschreckend finden, mich stört dies aber überhaupt nicht. Ein Standard-Wurf benötigt 2W6, ein schwieriger Wurf 2,5 W6, ein schwerer Wurf 3W6 und so weiter. Unterwürfelt der Spieler den Zielwert, ist die Aktion gelungen. Es gibt natürlich auch einfache Regeln für besondere Erfolge und Patzer, kooperative Fertigkeitsproben und kompetetive Würfe. Ich finde das System leicht zu handhaben und ziemlich gut am Tisch anwendbar.

Die Charaktererschaffung ist stark an die Mechanismen aus CT angelehnt, nur das einige Elemente hinzugefügt wurden (z.B. verschiedene Möglichkeiten, den Charakter vor Beginn einer Berufslaufbahn in Colleges, Flight-Schools und anderen Schulungszentren ausbilden zu lassen). Und es gibt schon in den Grundregeln die Auswahl zwischen immerhin zehn, anstatt der im Classic-Grundregelwerk vorgestellten sechs Karrieremöglichkeiten. Jeder Charakter durchläuft ei der Erschaffung eine Art Life-Path, in dem er über mehrere Jahre hinweg Berufserfahrungen macht und verschiedene Fertigkeiten erlernt, aber auch verletzt werden,oder sogar sterben kann. Die Charaktererschaffung ist somit ein unterhaltsames Spiel im Spiel, welches genauso viel Spaß macht, wie bei CT und sogar noch abwechslungsreicher ist.

Das Kampfsystem wurde komplett überarbeitet und ist nun etwas einfacher, als bei Classic Traveller. Gefällt mir auch ganz gut, weil es dem Spielleiter einiges an Tabellengeblättere erspart.

Die Equipment-Sektion des Buches ist auch recht interessant. Es findet sich hier vieles, was alten Traveller-Hasen bekannt vorkommen wird, aber auch viele neue Ausrüstungsgegenstände werden eingeführt und alles relativ ausführlich und anschaulich erklärt. Außerdem wurden viele Ausrüstungsgegenstände modernisiert und damit auch für heutige Standards realistischer gemacht. Hatte man bei CT zum Beispiel klobige Kommunikatoren, die für vergleichsweise geringe Entfernungen ziemlich teuer waren und auch nichts anderes konnten, als eben Fernsprech-Kommunikation zu ermöglichen, sind die T4-Comms modernen Smartphones recht ähnlich und fungieren geichzeitig als Mini-Computer mit Audio- und Video-Aufnahme-Funktionen und anderen Extras.

Die Raumschiff-Konstruktion funktioniert eigentlich ähnlich wie bei CT, ist aber wesentlich detaillierter geworden und leider etwas unübersichtlich dargestellt. Wenn man sich die im Buch fehlende Tabelle besorgt (z.B. aus den CT-Regeln, oder den im Internet erhältlichen Errata), funktioniert das Ganze eigentlich ganz gut, dauert aber durch die vielen Berechnungen wesentlich länger, als in den alten Regeln. Da diese Edition aber ja sowieso detaillierter ist, ist das ja auch kein Problem.

Das Kapitel über Weltenbau und auch die Erschaffung von Tieren ist so ziemlich dasselbe, wie bei Classic Traveller, hier hat sich nichts verändert. Ich finde es ist sowieso ein großer Pluspunkt, dass die Weltenerschaffung über alle Editionen hinweg, bis hin zur aktuellen 5. Edition und auch der zur Zeit erscheinenden 2. Edition von Mongoose Traveller (eine Traveller-Edition die nicht direkt von Marc Miller kommt, sondern von einem anderen Verlag aufgelegt wird, aber auf CT basiert) weitgehend dieselbe geblieben ist (mit ein paar kleinen Abweichungen hier und da). So kann man die erschaffenen Welten, ebenso wie die Weltenprofile aus dem offiziellen Setting des "Dritten Imperiums" mit jeder Edition verwenden. Das gleiche trifft im Großen und Ganzen auch für die Charaktere zu, die relativ editionsübergreifend funktionieren.

Das in T4 enthaltene Raumkampfsystem ist ein Sache, die wirklich gut gemacht wurde. Es ist zwar mit keinem anderen Raumkampfsystem der vorangegangenen Editionen kompatibel, ist aber einfach zu handhaben und läuft sehr flüssig ab.

Nun kommen wir zum Hintergrund. Wie schon gesagt, spielt T4, im sogenannten "Dritten Imperium" und die weiteren Quellenbücher sinf für die Zeit im Jahre Null dieses Imperiums ausgelegt (Classic Traveller spielt im "Goldenen Zeitalter" im Jahre 1105, andere Editionen zu anderen Zeiten). Zu diesen Quellenbüchern kann ich leider nichts schreiben, da ich sie nicht besitze. Mit dem Grundregelwerk allein, kann man aber zeitenübergreifend in jedem Traveller-Setting spielen, oder sich, wie früher bei CT üblich, sein eigenes Setting erschaffen. Es ist also auch möglich, mit den Grundregeln von T4 im Goldenen Zeitalter zu spielen und das Settingmaterial aus anderen Editionen dafür zu benutzen.

Die beiden einzigen Erweiterungsbücher für T4, die ich besitze, sind der "Central Supply Catalog", eine ausführliche Ausrüstungssammlung und das "Emperors Arsenal", eine Art Waffensammlung für alle Technologie-Level bei Traveller. Beide finde ich richtig gut und es macht viel Spaß, sich da einzulesen. All die Waffen und Ausrüstungsgegenstände werden ausführlich beschrieben und es gibt wirklich eine ganze Menge Zeug in den Büchern. Diese Werke, vor allem den Supply Catalog, kann ich jedem Traveller-Spieler, egal welcher Edition, wärmstens empfehlen.

Fazit: Meiner Meinung nach ist Marc Miller´s Traveller eine zwar mit einigen Fehlern behaftete, aber dennoch grundsolide Traveller-Edition. Sie ist wesentlich detailreicher als Classic Traveller, aber nicht so überbordend, wie Megatraveller oder gar Traveller5 (zu T5 werde ich demnächst eine eigene Rezension schreiben). Mir gefällt das Tasksystem ganz gut, auch wenn es in der Traveller-Gemeinde viele Feinde hat und auch sicher nicht perfekt ist, aber was ist schon perfekt?!
Die Charaktere, die mit T4 erschaffen werden, gehören, wie ich finde, zu den "schönsten" und schnörkellosesten Charakteren aller Editionen und das Raumkampfsystem ist hervorragend. Alles andere ist stabile Traveller-Kost und aller vernichteneden Kritiken zum Trotz ist T4 dann doch ziemlich gut spielbar, wenn man die im Internet frei erhältlichen Errata zu Hilfe nimmt (für das Grundregelwerk sind die auch nicht allzu lang und behandeln in den meisten Fällen auch eher oberflächliche Sachverhalte).

Das wars erstmal wieder, bis bald dann!



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