Es geht bei Traveller darum, einen Baukasten and er Hand zu haben, mit dem man ein eigenes Sci-Fi-Setting kreieren, oder beliebige Szenen aus der Sci-Fi-Literatur nachspielen kann.Es existiert auch ein eigenes Setting für Traveller, das Third Imperium, welches dem Spielleiter viel Raum lässt, es nach seinen Vorstellungen zu ergänzen, zu verändern, oder umzuinterpretieren. In-Game-Systeme gibt es dafür in den verschiedenen Editionen zuhauf. Traveller ist deshalb für mich tatsächlich eine Art Meta-Spiel. Es ist ein Werkzeug zur Erschaffung und Simulation von Welten und allem, was auf und zwischen diesen geschieht.
Und genau das macht auch Traveller5 (T5) von Far Future Enterprises wie erwartet nicht anders. In Sachen Streber- und Lehrbuchhaftigkeitkeit übertrifft T5 alle seine Vorgänger um Längen. Das viel mir bereits auf, als ich in einem Spielegeschäft vor Jahren zum ersten Mal das äußerst dicke T5-Corebook von 2013 entdeckte, ich aber des Preises und der schieren Masse scheinbar komplizierter Texte und Tabellen wegen das Buch nicht kaufte. Ich spielte erst seit kurzer Zeit Mongoose Traveller, was auf Deutsch vom 13-Mann-Verlag vertrieben wurde und eine vergleichsweise gut zu verstehende alternative Version von CT darstellte. Ich fing gerade erst an zu entdecken, wieviele Versionen von Traveller es eigentlich gibt (es sind wohl insgesamt zehn) und was sie an Massen von Spielmaterial mit sich bringen, welches zum großen Teil immernoch nutzbar ist, egal welche Ausgabe des Spieles man benutzt. Und zu dieser Masse gesellt sich nun T5.
Ich beschäftigte mich immer mehr mit verschiedenen Editionen, vor allem CT. Und so bereute ich ein bisschen meine Entscheidung, T5 nicht gekauft zu haben. Ein riesiges, sozusagen "komplettes" Traveller-Buch, in dem die fortgeschrittene Regeln und Erweiterungen, sowie gute Ideen aus unterschiedlichen Editionen zu einem harmonischen Ganzen verwoben und endlich ausführlichere Erläuterungen vieler Grundkonzepte des Spiels, sowie ein universelles Task-System vorgestellt werden, fand ich eine gute Idee. Es war allerdings wohl kein Fehler, dass ich das Buch damals nicht gekauft habe, denn ich las später sehr viele negative Rezensionen darüber. Das Buch basierte auf dieser großartigen Idee, aber soll in der Ausführung eine riesige, fast unlesbare Katastrophe gewesen sein und dazu fehlte auch noch der Index! Zudem waren einige Regelkonzepte wohl noch nicht ganz durchdacht, weswegen Marc Miller, der Autor und Erfinder von Traveller, dann im Laufe der Jahre glücklicherweise noch zwei veränderte und erweiterte Fassungen entwickelt hat: T5.09, die soweit ich weiß nur als PDF erschien und das jetzt neue T5.10, welches die endgültige, weitgehend von Bugs befreite, besser strukturierte Fassung ist und seit Neuestem in einem schicken Set mit drei dicken Bänden im Schuber daherkommt. Und ich hab sie tatsächlich im gleichen Spieleladen entdeckt! Diesmal habe ich zugeschlagen.
Autor Marc Miller versucht anscheinend tatsächlich, das Universum (also sozusagen alle erdenklichen Sci-Fi-Konzepte und Möglichkeiten), wie schon bei CT, nur sehr viel vollständiger, in ein paar universelle Systeme zu packen mit denen es dann in seinen Erscheinungformen für den Spielleiter auf dem Papier erstellbar und schließlich am Tisch spielbar werden kann. Ob Miller damit nun bei T5 in jedem Fall erfolgreich ist, ist ein anderes Thema. Ich glaube aber man kann Marc Miller mit Recht als den Hegel der Rollenspiel-Autoren bezeichnen.
T5 ist der große Hort der unimäßig aufbereiteten, quasi-wissenschaftlichen Space-Gaming-Weisheiten, Quelle des gesammelten Wissens über die Erschaffung einer Galaxis und ihrer Lebewesen bis hinein in die Genetik, mitsamt all ihrer Technik, egal wie primitiv oder fortgeschritten sie sein mag. Die Weltformel als Rollenspiel! Zumindest will es das anscheinend sein. T5 ist selbst für (moderne) Rollenspiel-Verhältnisse ein ziemlich verwegenes, abgefahren skurilles Projekt. In seiner Aufmachung und inaltlich ist es so trocken und simulationistisch, dass es glatt wirklich als Lehrbuch in einer Universität durchgehen könnte. Rollenspielneulinge würden es kaum verstehen. Gäbe es allerdings keine anderen Rollenspiele und T5 wäre das erste Produkt in dieser Nische, würde sich vermutlich ein esoterischer Kult um diese drei Bücher bilden. Es wäre das neue Ein Kurs in Wundern! T5 strahlt sowohl in seinem klotzigen, aber schlichten schwarzen Aüßeren, als auch in seinem Inhalt irgendwie eine autoritäre Endgültikeit aus und wird wohl auch nicht umsonst von Marc Miller selbst (neben CT) als "ultimative" Traveller-Edition bezeichnet. Sie ist für Marc Miller das, was für Gary Gygax (den Miterfinder von Dungeons & Dragons) die drei Grundregelbücher von Advanced Dungeons & Dragons, für Tolkien der Herr der Ringe und für Karl Marx Das Kapital waren: Sie ist Marc Millers Opus Magnum.
Irgendwie muss dies doch möglich sein...
Man muss sich einfach ein bisschen in die Materie einlesen und herausfinden, welche Inhalte man am Spieleabend nutzen möchte und welche man (vorerst) nicht braucht..
Ich werde demnächst mal mit meinen Mitspielern und ihren Charakteren von jüngst gestarteten Traveller 4-Kampagne mal eine Runde T5 spielen. Ich mag Traveller 4 ganz gerne (siehe meinen letzten Blogeintrag), obwohl ich dessen viele Fehler und die lieblose Gestaltung des Grundregelwerks durchaus unschön finde. Ich mag es vor allem wegen des praktischen Task-Systems und wegen der intuitiven, einfachen Kampfregeln, auch trotz gewisser Balancing-Probleme. Es freut mich daher sehr, dass T5 im Kern die gleichen Mechanismen nutzt, diese aber neu durchdacht und erweitert, bzw. verbessert hat. So gibt es zum Beispiel den seltsamen "Half-Die" nicht mehr, der bei T4 immer mal mit geworfen werden musste. Das kommt mir natürlich entgegen und hilft mir auch, das neue System schneller zu verstehen.
Ohne Traveller-Kenntnisse (zumindest eines des anderen Grundregelwerke) kann man leider nicht so einfach Traveller5 spielen (unmöglich ist es aber sicher nicht). Als Traveller-Spielleiter ist man mit dem wuchtigen, neuesten Werk von Marc Miller aber gut beraten, wenn man z.B. mehr Details, Ideen und Material für seine bestehende CT, MT, oder T4-Kampagne sucht. T5 lässt sich sicher gut dafür ausschlachten. Vor allem die besagten Maker sind es, die T5 dann interessant machen.
Aber wie gesagt, ich denke das Werk besteht durchaus auch für sich alleine und kann detailinteressierten Hard-Sci-Fi-Fans ein tolles Spielerlebnis bieten, wenn auch einiges an Lese- und Versteh-Vorarbeit geleistet werden muss.Wenn man komplett auf T5 umsteigt, sind vor allem Hintergrund-Bücher älterer Editionen weiterhin durchaus nützlich und die Regelwerke, sowie Quellenbücher (mit z.B. Equipment- und Raumschiff-Beschreibungen) können weiterhin als Inspirationsquelle dienen. Aber nötig sind sie nicht. Mit T5 hat man ein wirklich definitives und sehr umfassendes Universalwerk zur Hand, mit dem ein motivierter Spielleiter unzählige detaillierte Kampagnen erschaffen kann, ohne jemals mehr andere Traveller-Produkte zu Rate ziehen zu müssen. Dies galt zwar auch schon für die einfachen Grundregeln von CT aus den drei Little Black Books, oder auch den Grundregelwerken der vielen anderen Editionen, aber T5 holt nochmal wesentlich mehr aus dem Ganzen raus und beantwortet viele Fragen, die bei Traveller nie so genau geklärt waren, mehr als genau. Für mich als Fan ist es eine riesige Bereicherung.
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