Freitag, 3. Mai 2024

Angespielt: Unmatched


Mein derzeitiges Lieblingsspiel heißt "Unmatched"! Es ist ein schnelles Duellspiel, bei dem höchst unwahrscheinliche Kontrahent*innen gegeneinander kämpfen. Man spielt mit Miniaturen auf Bodenplänen  und muss dabei passende Handkarten mit Angriffen, Verteidigungen und anderen Aktionen ausspielen, um dem/der Gegner*in und dessen Handlanger*innen die Lebenspunkte zu rauben. Unmatched ist genial designed, schnell erklärt, sieht mega gut aus und macht richtig viel Spaß! Mir gefällt die Vielfalt der Figuren, die aufeinandertreffen können. Diese entstammen der Märchen- und Sagenwelt, Romanen oder Comics und sind allgemein bekannt (Rotkäppchen, Sindbad, Sherlock Holmes etc.). Jede Figur hat ein eigenes Kartendeck, individuelle Spezialfähigkeiten und in vielen Fällen auch ein oder mehrere Sidekicks, die ihr im Kampf zur Seite stehen. In unserer eben gespielten Partie kämpfte Robin Hood gegen Big Foot (die beiden sind zusammen in einem kleinen Set enthalten). Es gibt verschiedene Unmatched-Boxen, die jeweils 4 oder 2 Kämpfer*innen und ein doppelseitig bedrucktes Spielbrett enthalten. Man kann die Bodenpläne und Figuren beliebiger Sets miteinander kombinieren. 

Dieses Spiel macht süchtig! Es besticht durch seine tolle Aufmachung, die vielen taktischen Möglichkeiten und die einfachen Regeln. Absolute Kaufempfehlung!

D&D und Traveller (1974/1977)

 D&D und Traveller in ihren Urformen von 1974/1977 (hier als meine A5-Ringbuch-Fassungen) haben eine Menge gemeinsam. Die Regeln waren in jeweils drei kleine Hefte aufgeteilt, es gab keine festen Spielwelten und das Spielkonzept war völlig open ended. Beide Systeme waren in dieser Form bereits komplette Spiele, es war erstmal garnicht geplant, dafür gesonderte  Erweiterungen, oder Abenteuer herauszubringen (bis immer mehr Spieler*innen danach verlangten und dann ja auch richtig viel Material für beide Spiele nachkam). Die Spiele waren dafür gedacht, eigene Szenarien und Welten zu kreieren und zu bespielen, oder Szenen aus diversen Romanvorlagen zu simulieren. Fehlende Regeln sollten bei Bedarf selbst ausgedacht und bestehende im Notfall verändert werden. Wenn nötig lassen sich sowohl D&D, als auch Traveller mit nur sehr wenig Vorbereitung einfach drauflos spielen, fast so, wie klassische Brettspiele. Traveller geht diesen Weg so konsequent, dass in den Regeln sogar spielleiterlose und Solospiel-Varianten vorgeschlagen werden.



Montag, 24. April 2023

Midgard 3. Edition: Regionalboxen und Quellenbücher

Endlich komme ich mal wieder zum Schreiben! Hier war ja eine lange Zeit Funkstille, aber ich arbeite daran, in Zukunft wieder mehr Artikel hier posten zu können. Heute möchte ich mich einmal mehr mit MIDGARD beschäftigen, und zwar mit den Quellenbüchern und Regionalboxen der dritten Edition aus den neunziger Jahren.Wer meinen Artikel über MIDGARD 3 gelesen hat, weiß dass ich schon in meiner Kindheit und frühen Jugend mit MIDGARD in Berührung kam und es nach DSA mein erstes "richtiges" Rollenspiel war. Bis heute bin ich Fan der damaligen, dritten Regeledition und zum ersten Mal seit meiner Rollenspiel-Anfangszeit hatte ich vor kurzem sogar die Gelegenheit, auch wieder ein paar Runden zu spielen, bzw. zu leiten. 

Mir gefällt an der dritten Edition von MIDGARD neben den gut durchdachten Regeln und der interessanten Spielwelt vor allem auch die Aufmachung der Spielmaterialien. Sie mögen heutzutage vielleicht etwas altbacken wirken, aber es ist dennoch ziemlich erstaunlich, auf welch hohem Qualitätsniveau bereits die älteren Editionen von MIDGARD produziert wurden, was vielleicht auch darauf zurückzuführen ist, dass die Zeit Ende der achtziger bis Mitte/Ende der neunziger Jahre in Deutschland als "goldene Zeit" der Rollenspiele gelten. Es gab einen potenziell großen Absatzmarkt für dieses noch relativ neue Hobby und entsprechend höhere Verkaufszahlen. Viele Systeme sind ja in den achtziger Jahren auch in Deutschland als Boxen erschienen (Dungeons&Dragons, Das Schwarze Auge, MERS...) und mit der dritten Edition entschied man sich bei MIDGARD 1989 für ein ähnliches Design. Heutzutage würde wohl fast jeder ein Hardcoverformat bevorzugen (und das hat sich ja dann auch durchgesetzt), aber mir haben die schön gestalteten Regelboxen mit den Würfelinlays und die Aufteilung der Regeln in verschiedene Hefte immer gut gefallen. 

Neben den beiden Grundregelboxen und einigen Abenteuern, besitze ich auch die beiden Quellenwerke "Die Pyramiden von Eshar" und "Unter dem Schirm des Jadekaisers". Statt (wie dann spätere Quellenbände) einfach als Buch mit dazugehöriger Landkarte zu erscheinen, brachte man diese Regionalbeschreibungen bei Klee-Spiele auch als Boxen heraus. Diese sind ähnlich gestaltet, wie die Regelboxen und beinhalten sowohl Hintergrund- und Abenteuerhefte, als auch eine ganze Menge fantastischer Land- und Stadtkarten. Diese eigenen sich natürlich sehr gut als Orientierungshilfe, aber auch als Stimmungsmacher auf dem Spieltisch.

Die Texte in den Heften sind gut geschrieben und präsentieren detaillierte Hintergrundinformationen über die titelgebenden Regionen, sowie deren Bevölkerung und Kulturen. Zudem gibt es jede Menge neue Charakter-Vorschläge (anhand derer man zügig äußerst interessante und vielfältige Spielfiguren erstellen kann, die gut zu der jeweiligen Region passen) und Spielwerte für Nichtspielerfiguren und Monster.

Wie bereits erwähnt, wurden die Boxen im Laufe der MIDGARD-Geschichte irgendwann gegen Mitte der Neunziger von einem Buchformat abgelöst. Eine weitere Regionalbeschreibung, die ich besitze ("Alba - für Clan und Krone") gehört zur gleichen Regeledition, kam aber 1998 als A4-Softcoverbuch heraus. Sicher hat das auch damit zu tun, dass MIDGARD von Klee-Spiele zum Pegasus-Verlag gewechselt ist. Bei Klee, einer Tochterfirma von Schmidt Spiele, war man wahrscheinlich darauf erpicht, es den erfolgreichen Spielen D&D und vor allem DSA gleichzutun und MIDGARD im für Gesellschaftsspiele üblichen Boxformat herauszubringen, um es besser in Spiele- , bzw. Spielwarengeschäften platzieren zu können. Nach dem Wechsel erschienen soweit ich weiß dann nurnoch Bücher und Abenteuerhefte, was sicher zum einen eine Kostenfrage, aber andererseits wohl auch wieder "zeitgemäßer" war.

Der Alba-Quellenband ist inhaltlich ebenso überzeugend und ergiebig, wie die beschriebenen Boxen und auch die optische Aufmachung empfinde ich als sehr ansprechend. Der Text wird von recht guten Illustrationen, sowie vielen, meist sehr informativen Informationsblöcken, Landkarten, Zeittafeln und Randnotizen aufgelockert und lässt sich angenehm lesen. Außerdem liegt dem Buch auch eine schöne große Landkarte der Region Alba bei. Allerdings nur eine. In die Boxen passte halt mehr rein...  

Alles in allem waren das damals (und sind bis heute) sehr gute, toll gestaltete Produkte, die auf allen Ebenen überzeugen! Wenn man sich da reinliest, bekommt man Lust zu spielen und jede Menge Inspiration für eigene Charaktere und Abenteuer.

 Die aktuelle (fünfte) Edition von MIDGARD hat sich optisch inzwischen sehr verändert, auch die Regeln wurden hier und da angepasst, aber die durchweg gute Qualität der Regel-, Quellen- und Abenteuerbücher hat sich über all die Jahrzehnte gehalten und ist auch heute noch bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass von Beginn an ein nur kleiner Kreis einiger weniger Macher*innen hinter MIDGARD steht.


Dienstag, 15. Februar 2022

DSA1/2: Das Grabmal von Brig-Lo / Im Garten des Magiers

Nach dem epischen Zug durch das Nebelmoor standen für unsere muntere DSA1-Diskord-Runde, bzw. deren Helden, gleich zwei neue Abenteuer an! 

Die Truppe, bestehend aus dem Angrosch-Geweihten Mox (und seinem in einer Laterne eingesperrten Baby-Zwergdrachen), dem Abenteurer Tsiplako, den Zwergen Bulgur und Dorin, dem Elfen Shagrel und dem Magier Bronfried von Altzoller, traf sich am Grabmal von Brig-Lo, ein Abenteuer für DSA2, welches in dessen Basisregeln, also eigentlich DSA1, abgefasst ist und als Einstiegsabenteuer verwendet werden kann. Das Abenteuer hatte es aber ziemlich in sich! Unter dem besagten Grabmal, welches sich auf einem historischen Schlachtfeld befindet, wurden die Helden selbst zu Gefangenen eines verrückten Zauberers, der gerade dabei war, einen Golem aus Teilen toter Menschen und anderer Wesen zum Leben zu erwecken. Durch den Beistand der Zwölfgötter, etwas Glück, und vor allem die hervorragenden Heldentaten des legendären Zauberers Bronfried von Altzoller* schaffte es die Truppe aber, nach einem Kampf mit einem angekettenen, armlosen Troll und dem Sturz durch verschiedene Falltüren in enge Käfige, sowohl sich selbst, als auch die gefangenen Vermissten zu befreien, von denen sie schon im Dorf gehört hatte. Das Grabmal von Brig-Lo hat ja nicht den besten Ruf, denn vielen gilt es als altbackene Dungeon-Kost mit gehörigem Railroadingfaktor und der Plan des Schicksals hat auch so seine Tücken. Aber das Abenteuer hat von Anfang an Spaß gemacht! Die Ankunft in Brig-Lo, das Zusammentreffen mit einigen der dort ansässigen NSC und die Erkundung des Schlachtfeldes, wo einst eine große Dämonenschlacht stattfand, waren sehr stimmungsvoll und die Ereignisse im Grabmal waren für die Spieler sowohl überraschend, als auch aufregend und ich hatte nicht das Gefühl, dass da Langeweile oder Unzufriedenheit aufkam. Wir hatten alle Spaß und das war das Wichtigste! Vor allem das Charakterspiel der Mitspieler war zum Teil sehr witzig und nach den vielen Sitzungen im Nebelmoor hatte einige Charaktere schon ziemlich konkrete Form in meiner Vorstellung angenommen. Auch die neu dazugekommenen Spieler*innen und Charaktere brachten sich sehr gut ins Spiel ein. Es war also wieder ein voller Erfolg!

*das ist zumindest seine Wahrnehmung

Als nächstes spielten wir ein Abenteuer namens "Im Garten des Magiers" von Markus Heinen. Es wurde diesmal von Holger, dem Spieler des Angrosch-Priesters geleitet und bot eine interessante Story rund um Magie und Feen, in dem die ganze Heldengruppe auf die Größe von nur ein paar Zentimetern geschrumpft wurde, während sie das Anwesen eines vermissten Zauberers nach ihm und ihrem ebenfalls verschwundenen Kameraden Mox durchsuchen musste. In einem Ameisenhaufen konnten sie Mox, sowie die Anführerin der im Wald ansässigen Feenbevölkerung ausfindig machen, von der sie hofften, sie könne sie wieder auf normale Größe zurückhexen. Dafür mussten sie aber den Deal eingehen, den Feenwald in Zukunft zu schützen und keine Bewohner des Waldes zu töten. Zum Glück hat das alles irgendwie funktioniert.

 Als nächstes werden wir wohl eines der alten Universalabenteuer aus dem Drachenland-Verlag spielen. Bin schon sehr gespannt, wie das wird...

Samstag, 3. Juli 2021

DSA1: Der Zug durch das Nebelmoor

 Neulich spielte ich mit einer eigens dafür zusammengetrommelten Gruppe interessierter DSA-Nostalgiker das 1985 für die erste Edition von DSA erschienene Abenteuer Der Zug durch das Nebelmoor. Und zwar online auf Discord. Ich dachte, dass das Abenteuer innerhalb einer Spielsitzung zu schaffen wäre, aber es kam ganz anders... 

Der Zug durch das Nebelmoor stammt aus der Feder von Karsten Wurr, ist das erste der zwei in dem Heft enthaltenen Abenteuer (das zweite heißt Die Sümpfe des Lebens) und belegte den ersten Platz eines damals von der DSA-Redaktion ausgeschriebenen Abenteuer-Wettbewerbs. Inhaltlich bietet es ein einfach aufgebautes Wildnis-Szenario (wenn man Punkt A erreicht, passiert dies; wenn man Weg B einschlägt jenes). Die Aufgabe der Helden besteht darin, im Auftrag eines einflussreichen Händlers einen Wagenzug durch das Nebelmoor zu geleiten und möglichst unbeschadet nach Donnerbach zu bringen. Natürlich warten im Moor allerlei gefährliche, teils haarsträubende Begegnungen und Geheimnisse auf die Truppe. Das Abenteuer ist ziemlich altbacken und überzeugt nun wirklich nicht durch einen Plot mit Tiefgang, aber trotzdem schafften wir es, ein wirklich stimmungsvolles und spaßiges Erlebnis daraus zu machen! 

 Fünf wackere Helden begleiteten den Wagenzug: Elris (Elf), Bulgur (Zwerg), Mox (Zwerg/Angrosch-Geweihter), Terio (Krieger aus Havena) und Tsiplako (Abenteurer aus dem Horasreich). Zu Beginn spielten wir die Auftragsvergabe, das gegenseitige Kennenlernen und die darauf folgende Shoppingtour der Helden auf dem Marktplatz, sowie in den Geschäften von Trallop, wo die Geschichte beginnt, sehr ausführlich aus. Das eigentliche Abenteuer zog sich dann über geschlagene vier Spielsitzungen mit einer jeweiligen Spielzeit von ca. drei bis vier Stunden hin! Aus dem eigentlich kurzen, geradlinigen Abenteuer wurde eine kleine Kampagne. Dies lag vor allem an dem hervorragenden, sowohl sehr lustigen, als auch eigensinnigen Charakterspiel der Mitspieler. Einige von uns sahen sich zum ersten Mal auf Discord, aber es dauerte nicht lange, bis eine ausgelassene und sehr immersive Stimmung aufkam. Wir waren ziemlich tief drin (im Moor)! Höhepunkte für mich waren die witzige Interaktion zwischen den Helden, die vielen teils unerwarteten guten Einfälle der Spieler, oder auch, dass der hoch gelobte, geweihte Kriegshammer des Angrosch-Geweihten bereits beim zweiten Kampf zu Bruch ging. Das teils trashig anmutende Abenteuer mit seinen an den Haaren herbeigezogenen Begegnungen mit einem Feuerdämon, Riesenschlangen,  einem Kaufmannsladen mitten im Moor, einem alten Fährhaus, welches sich als eine einzige große Falle entpuppte, den skurillen 80er-Jahre-Rätselsprüchen und anderem abgefahrenen Kram, tat sein übriges, um uns eine äußerst unterhaltsame Zeit haben zu lassen.

Für DSA1-Verhältnisse ist Der Zug durch das Nebelmoor wahrlich nicht das beste Abenteuer (aber auch nicht das schlechteste!), doch wir hatten einen Heidenspaß! Ich gaube es könnte sich gut als Einstiegsabenteuer für eine Anfängergruppe eignen und auch dem Spielleiter verlangt es nicht viel Vorbereitung ab, man kann eigentlich sofort drauflosspielen. Dass wir so viel Zeit dafür benötigten war anfangs nicht abzusehen, aber das machte überhaupt nichts! Ich würde sogar sagen, unsere "Nebelmoor-Kampagne" war eine meiner persönlichen DSA-Sternstunden! Und tollerweise entschieden sich die meisten von uns am Ende dazu, die Runde in Zukunft weiter zu führen, um noch andere alte DSA-Perlen zu spielen! Elris, der Elf ist leider nicht mehr mit von der Partie, dafür haben sich aber inzwischen drei weitere SpielerInnen unserer neuen Discord-Heldengruppe angeschlossen (Sie spielen Bronfried von Altzoller, einen Magier, Shagrell, einen Elfen und Dorin, einen weiteren Zwerg). Wir stecken jetzt schon mitten im nächsten Abenteuer, Das Grabmal von Brig-Lo, aber davon soll ein andermal berichtet werden...

Dienstag, 15. Juni 2021

Oldschool-MIDGARD: Im Reich der Phantasie (M3 Starterbox)

Nachdem ich im letzten Artikel ja schon über meine Wiederentdeckung von MIDGARD berichtet habe, werde ich anlässlich des vierzigsten Geburtstages dieses Rollenspiel-Urgesteins immer mal weitere Artikel über das Spiel posten. Ich als Freund älterer Systeme werde mich dabei vor allem auf die dritte Edition aus den Neunziger Jahren beziehen, denn diese habe ich selbst damals gespielt und steige gerade wieder darin ein. Dennoch werde ich sicher auch mal das ein oder andere Wort über neuere Erscheinungen in der MIDGARD-Reihe verlieren, denn obwohl ich die aktuelle fünfte Edition nicht spiele, heisst das nicht, dass nicht auch weiterhin sehr gute Sachen herauskommen, die auch für ältere Editionen des Spiels nützlich sind (zum Beispiel der tolle Band Die Welt, der mir sehr gefällt).

Diesmal geht es um die alte Starterbox Im Reich der Phantasie. Diese erschien 1992 als Einstiegsversion für MIDGARD. Sie enthielt eigenständige, mit MIDGARD kompatible Spielregeln und drei spielbereite und ziemlich alte Abenteuer (Unter den Nebelbergen, Über den Perellion-Pass und Die Insel des Widdergottes), die sich gut für den Einstieg in das System eignen. 

Wie gesagt war diese Box ein Einsteigerprodukt und so präsentieren sich auch die Regeln, die eine abgespeckte Version des M3-Systems darstellen. Es gibt hier von allem weniger (weniger Abenteurertypen, weniger Spielwerte, Zauber und andere Regelelemente), aber dennoch ein in sich geschlossenes und gut gegliedertes Spielsystem. Vom ganzen Layout und dem Stil her habe ich den Eindruck, dass sich Im Reich der Phantasie zu den vollen M3-Regeln wie das alte Red-Box D&D zu seinem großen Bruder AD&D verhielt (mit dem Unterschied, dass diese D&D-Version zu einem kompletten Spiel für auch höhere Charakter-Stufen ausgearbeitet und neben AD&D weitergeführt wurde). Die in Im Reich der Phantasie präsentierten vier Abenteurertypen sind quasi die gleichen, wie in der alten D&D-Box: Krieger, Magier, Priester (D&D: Kleriker) und Glücksritter (D&D: Dieb) und sie können bis zum fünften Erfahrungsgrad gesteigert werden. Die drei für diese Box neu aufgelegten Abenteuer aus der MIDGARD-Urzeit sind klassische Dungeon- und Wildnisabenteuer, die genauso auch für D&D hätten erscheinen können. 

Soweit ich weiß hat MIDGARD Wurzeln im System Empire of the Petal Throne, das ungefähr genauso alt ist, wie die erste D&D-Version von 1974, was ich persönlich aber nie in den Händen hatte und somit nicht sagen kann, wie groß der Einfluss nun wirklich war (und auch die erste Edition von MIDGARD konnte ich bisher leider nicht einsehen). Mein Eindruck ist aber, dass man sich bei Im Reich der Phantasie eben stark an der berühmten D&D-Edition aus den 80ern orientiert hat, was ich auch total in Ordnung finde, denn alles in allem ist Im Reich der Phantasie ein wirklich gutes Produkt. 

Die Box hilft definitiv dabei, die wichtigsten Spielmechanismen von MIDGARD zu verstehen und eignet sich daher sicher gut dafür, Anfänger an das Spiel heranzuführen. Ich habe mir Im Reich der Phantasie aber vor allem wegen der drei enthaltenen Abenteuer besorgt, die wie gesagt schön oldschoolig sind und durchaus auch in eine "volle" MIDGARD-Runde eingeworfen werden können (wenn man mal Lust auf ein nicht allzu komplexes, storybepacktes Abenteuer hat). Zudem interessieren sie mich natürlich auch aus rollenspielhistorischen Gründen. 

Was ich auch gut finde ist, dass im Regelbuch der Box auch darauf eingegangen wird, wie man auch andere MIDGARD-Abenteuer mit den Regeln von Im Reich der Phantasie spielen und die mit den Einsteigerregeln erstellten Spielfiguren in vollwertige MIDGARD-Abenteurer umwandeln kann. Damit sind die Einsteiger-Spielfiguren sozusagen aufwärtskompatibel und man muss sich nicht ab Grad 5 wieder von den liebgewonnenen ersten Helden trennen. 

Im Reich der Phantasie war eine schöne Anfängerversion von MIDGARD und bot definitiv mehr Stoff, als es die aktuellen Starter-Regeln der fünften Edition tun, die man sich als PDF herunterladen kann. Man konnte damit anscheinend ziemlich lange spielen, und auch weit mehr Abenteuer, als nur die drei in der Box enthaltenen Klassiker wären nötig, um die Spielfiguren bis zum fünften Grad zu führen. Wie das alte 80s-D&D war es ein vollständiges, kleines Rollenspiel für jüngere Spieler/innen, und ich kann mir vorstellen, dass es seinen Job damals gut erledigt hat (keine Ahnung wie es sich damals verkauft hat, aber es war wohl auch die Vorlage für die Starterbox der vierten Edition). Ich habe ja damals mit den kompletten Grundregeln begonnen und muss gestehen, dass diese mir mit dreizehn Jahren erstmal fast zu komplex waren, da hätte mir Im Reich der Phantasie bestimmt einen guten Dienst erwiesen. Dank der drei Abenteuer (und wie gesagt auch aus Sammler- und Nostalgiegründen) tut es das dafür nun, etwas verspätet, auch jetzt noch.

Einen kurzen Überblick über Im Reich der Phantasie bietet auch folgender Artikel aus der MIDGARD-Wiki: https://www.midgard-wiki.de/index.php/Publikation:Im_Reich_der_Phantasie

Demnächst stelle ich euch weitere alte MIDGARD-Perlen vor, zum Beispiel die beiden Regionalboxen Eschar und Unter dem Schirm des Jadekaisers und bestimmt auch das ein oder andere Abenteuer.



Dienstag, 25. Mai 2021

Midgard und ich

 


Als ich dreizehn Jahre alt war, hatte ich noch kaum Rollenspiel-Erfahrung und selbst nur wenige Male DSA1 / 2 gespielt (was mich aber genug geflasht hat, um mich fortan sehr für das Hobby zu begeistern). Ich hatte auch ein paar DSA2-Boxen zuhause, spielte das aber nur selten. Ich hing aber oft in einem Computerspieleladen in meiner Heimatstadt herum, wo auch einige Pen and Paper-Rollenspiele und Battletech-Sachen in einer Ecke standen. Dort kaufte ich mir hin und wieder Ausgaben der Zeitschrift Wunderwelten (eine wichtige Informationsquelle für mich, da es das Internet noch nicht gab) und stöberte im Regal herum. Irgendwann begleitete mich mein Vater in diesen Laden (er wollte sich leere Disketten oder so kaufen) und spendierte mir eine Rollenspiel-Box: Es handelte sich um die Basis-Box von Midgard-Das Fantasy-Rollenspiel (3. Edition), welches damals von Klee-Spiele vertrieben wurde.

Als ich zuhause in den Regelheften schmökerte, merkte ich schnell, dass es sich um ein wesentlich solideres System als DSA handelte. Die Regeln waren wesentlich komplexer und realistischer, es gab vergleichsweise viele Charakterklassen, sehr viele Waffen und schon in den Grundregeln recht viele Zauber und Fertigkeiten, sowie ein relativ ausführliches Bestiarium. Bei DSA2 waren ja noch nichteinmal die ausführlichen Magieregeln in der Grundbox enthalten, geschweige denn ein Bestiarium, oder eine Beschreibung der Welt. Midgard lieferte dies alles in drei in der Box enthaltenen Heften direkt mit. Dies hat mich fast ein wenig überfordert, aber ich war gleichzeitig so begeistert von dem Material, dass ich eifrig anfing, die Hefte zu studieren. 

Dies tat ich bald auch zusammen mit einem guten Freund, mit dem ich früher oft das Brettspiel Heroquest gespielt hatte und der genauso fantasy-begeistert war, wie ich. Ich brachte die Midgard-Box mal zu ihm mit und auch er war von dem realistischen Regelwerk so angetan, dass er es sich kurze Zeit später selbst zulegte. Seitdem studierten und spielten wir bei jedem unserer Treffen Midgard und hatten dann auch schnell einen weiteren Freund rekrutiert, der ebenfalls begeistert mit dabei war. Ich kann mich an kein Abenteuer mehr erinnern, aber soweit ich weiß haben wir meistens irgendwie improvisiert und spontan irgendwelche abenteuerlichen Situationen und Begegnungen mit Monstern ausgespielt, wobei immer jemand anders der Spielleiter war. Es war wie gesagt wesentlich komplizierter als DSA, aber ich glaube gerade das hat uns angesprochen. Auch die Hintergrundwelt "Midgard", mit ihren an die irdische Antike angelehnten Völkern und Kulturen hat uns sehr fasziniert. 

Irgendwann Mitte der Neunziger brach die Freundschaft auseinander und meine Midgard-Box war weg! Hatte ich sie dem Mitspieler (ein Freund meines Freundes) ausgeliehen und nicht wiederbekommen? Oder ging sie verloren? Wurde sie mir geklaut? Ich weiß es nicht mehr.... Aber ich spielte seitdem nie wieder Midgard (ich hatte keine Lust, mir die ganzen Sachen neu zu kaufen), sondern wechselte zu AD&D und Shadowrun (und später viele andere Systeme). Dennoch war Midgard für mich immer mit schönen Erinnerungen verbunden und blieb mir als "gutes, realistisches Rollenspiel" im Gedächtnis. Ca. 25 Jahre lang habe ich Midgard seit dem Verlust der Box ignoriert. Ich habe sie auch in keinem Laden mehr gefunden (der Computerspieleladen hatte inzwischen auch zugemacht). Als dann wesentlich später die vierte und vor ein paar Jahren die fünfte Edition von Midgard erschienen, habe ich das zwar wahrgenommen, als ich in Rollenspielläden unterwegs war, aber war zu sehr mit anderen Spielen beschäftigt, um mir die Sachen zu holen. Zudem gefiel mir die Aufmachung als Box mit drei Heften damals viel bessr, als die Hardcover-Bücher späterer Editionen. 

Erst vor ein paar Tagen war es dann soweit: Ich entdeckte "meine" alte Midgard-Box bei Ebay-Kleinanzeigen wieder, zusammen mit der Ausbaubox "Welt der Abenteuer" und der Regionalbox "Die Pyramiden von Eschar". Alles zusammen wurde in einem sehr guten Zustand für einen sehr guten Preis angeboten und ich schlug sofort zu. Jetzt sind die Sachen bei mir und ich bin begeistert! Das Midgard-Fieber hat mich wieder gepackt! Ich bin sehr froh, die Grundbox wieder zu haben und dass auch noch die Regelergänzungsbox und Eschar mit dabei sind, ist der Knaller überhaupt! Somit bin ich nun im Besitz der vollständigen Regeln und kann wieder ins Spiel einsteigen, ohne mir unbedingt neuere Sachen dafür kaufen zu müssen (ich finde, die Regeln der dritten Edition sind für mich vollständig genug und haben außerdem einen gewissen Oldschool-Charme und natürlich einen persönlichen Nostalgie-Bonus). Je mehr ich mich mit den alten Regelheften auseinandersetze, desto größer wird die Lust, das Ganze endlich wieder zu spielen. Ich liebe diese Boxen! 

Doch nun zum Spiel selbst: Midgard wurde von Jürgen E. Franke, einem Mathematikprofessor, geschrieben und die erste Edition erschien bereits 1981, war also somit das erste deutschsprachige Fantasy-Rollenspiel. Franke war Mitglied in einem Fantasyverein namens FOLLOW, in dem eine Art Konfliktsimulation auf einer Fantasywelt namens Magira gespielt wurde. Nach ersten Erfahrungen mit Dungeons&Dragons und dem damals neuartigen Genre "Rollenspiel", schrieb Franke eigene Regeln zum Spiel auf der Welt Magira. Bis zur zweiten Edition war dies die Hintergrundwelt von Midgard und erst ab der dritten Edition wurde dies aus rechtlichen Gründen geändert und die Welt hieß dann genauso wie das Spiel. Inhaltlich war die Welt Midgard aber dennoch stark an die Welt Magira angelehnt. Wie bereits oben beschrieben orientiert sich die Spielwelt sehr stark an irdischen Kulturen von der Antike bis zum Mittelalter, so dass eine große Bandbreite an Abenteuern mit unterschiedlichen Flairs gespielt werden können. Midgard entwickelte sich in Deutschland eher neben der restlichen Rollenspiel-Szene und wird bis heute auf eigenständigen Midgard-Cons von Spielern gespielt, die teils schon seit Jahrzehnten mit dabei sind. Für die aktuelle fünfte Edition kommen immer noch von Zeit zu Zeit Ergänzungsbände heraus, das Spiel ist also noch am Leben und wird wohl vor allem von der Stammspielerschaft getragen. Soviel ich weiß wurden die Regeln einer Generalüberholung unterzogen, aber letztenendes hat sich nicht allzu viel an ihnen geändert, so dass nicht sehr viel Arbeit nötig ist, um Charaktere u.A. von einer Editon auf die andere zu konvertieren. 

Die Regeln haben einige Eigenheiten aufzuweisen, von denen die bekannteste sicher die Einteilung in Lebenspunkte und Ausdauerpunkte ist. Ein Charakter verliert im Spiel ständig Ausdauerpunkte, auch wenn er zum Beispiel gegnerische Schläge pariert. Dies repräsentiert die Anstrengung, die mit solchen Aktionen einhergeht und das macht den Kampf mit mittelalterlichen Waffen in diesem Spiel recht realistisch. Wenn die Ausdauerpunkte auf null sinken, ist der Charakter geschwächt und ein wesentlich leichteres Ziel für seinen Gegner, der ihm dann leichter schweren Schaden (Lebenspunkteabzug) zufügen kann. Zudem gibt es ausführliche Tabellen für kritische Treffer, so dass es nicht unwarscheinlich ist, das Charaktere nach Kämpfen durchaus bleibende und teils erschreckende körperliche Schäden davontragen.

Charaktertechnisch hat Midgard neben den Völkern Mensch, Elf, Zwerg, Halbling und Gnom eine relativ große Palette an Klassen zu bieten. Es gibt zwei Grundklassen (Magier und Krieger), die weiter in viele verschiedenene Unterklassen unterteilt sind. Von Barbaren, über Söldner, Barden, Ordenskrieger, Priester, Magier, Schamanen, bis hin zu Glücksrittern, Spitzbuben oder Thaumaturgen ist hier einiges vertreten. 

Für die magiebegabten Klassen gibt es eine Fülle an gut ausgearbeiteten (aber nicht übertrieben starken) Zaubern, aus denen sie wählen können und sogar Krieger können im Laufe der Zeit auch das Zaubern erlernen. Das ist auch das Schöne an Midgard: Die Charaktere sind mit der Zeit beliebig ausgestaltbar und können in jede beliebige Richtung entwickelt werden. Die Charakterklasse, die man anfangs wählt oder erwürfelt, ist nur ein grober Rahmen. 

Zur Ausgestaltung kann auch aus einer Vielzahl an Fertigkeiten gewählt werden, die sich im Spiel recht einfach handhaben lassen. Für eine Fertigkeitsprobe würfelt man mit einem W20, zählt den Fertigkeitsbonus dazu und muss Zwanzig oder mehr erreichen, um Erfolg zu haben. Der Spielleiter kann den Wurf situationsbedingt mit Zuschlägen oder Abzügen belegen. Eine gewürfelte Eins ist immer ein Fehlschlag und eine gewürfelte Zwanzig immer ein Erfolg, bzw. kritischer Treffer. Manche Fertigkeiten haben gar keinen Wert, sondern ermöglichen dem Charakter einfach bestimmte Tätigkeiten, ohne als Spieler dafür würfeln zu müssen. Natürlich gibt es spezielle Sonderfälle und jede Fertigkeit wird genau und teils mit  bestimmten Modifikationen für den Würfelwurf in den Regeln beschrieben. Alles in Allem ist das Ganze aber sehr flüssig spielbar.

Ich bin wie gesagt ziemlich glücklich mit meiner neu erstandenen alten Edition von Midgard und werde sicher noch das ein oder andere alte Abenteuer dieser Ausgabe zu meiner Sammlung hinzufügen. Für mich fühlt es sich so an, als ob ich nach langer Zeit auf Reisen wieder nach Hause gekommen bin! Jetzt muss ich nurnoch Leute finden, die das mit mir spielen wollen...