Donnerstag, 22. April 2021

Warum ich DSA1 so mag

 Ich spiele Deutschlands bekanntestes Rollenspiel Das Schwarze Auge bereits seit meinem zwölften Lebensjahr, habe auch mehrere Editionen ausprobiert, aber im Grunde genommen mag ich die Urversion des Spiels aus den 80er Jahren am liebsten. Dies liegt sicher auch am Nostalgiefaktor, schließlich begann ich DSA in den frühen 90ern mit den ganz einfachen Basisregeln von DSA1 zu spielen. Meine ersten eigenen Regelboxen gehörten schon zur zweiten Edition, aber die im Abenteuer-Basisspiel von DSA2 vorgestellten Grundregeln waren letztenendes auch eine abgespeckte Form von DSA1 und viel mehr habe ich mit meinen ersten Mitspielern auch nicht genutzt. Ich empfand das Spiel damals als sehr atmosphärisch und geheimnisvoll, quasi schon "mystisch" und kann mich noch gut an meine ersten selbsterlebten Abenteuer erinnern. 

Noch heute bin ich ein eingefleischter Fan des frühen Schwarzen Auges. Nicht nur der Nostalgie wegen, sondern auch, weil ich es als Spiel wirklich auf seine Art grandios finde. Zur Zeit erlebt DSA1 durch die von Ulisses-Spiele neu aufgelegte Version mit der "Kaiser Retro Box" und ein paar alten Abenteuern ein kleines Comeback, ich habe aber den Eindruck, dass dies mit einem eher ironischen Unterton geschieht, weil nur wenige das alte DSA wirklich zu schätzen wissen. Die beliebten Lets-Play-Videos von Orkenspalter TV mit Leuten von Ulisses, in denen einige der alten Abenteuer gespielt werden, versuchen erst garnicht Atmosphäre aufkommen zu lassen. Alles wirkt recht albern und auch das Regelsystem wird nicht gerade wertgeschätzt, obwohl es meiner Meinung nach viele Vorteile gegenüber modernen Regelmonstern besitzt, wenn man unvoreingenommen da ran geht. Ich glaube in einem dieser Videos behauptet der Ulisses-Chef sogar, dass DSA1 noch gar kein "richtiges Rollenspiel" gewesen sei, aber auch das halte ich für eine ziemlich hochnäsige Aussage. Ich glaube man muss die frühen DSA-Werke differenziert betrachten und sollte sie nicht mit modernen Rollenspielen vergleichen, denn sie stehen durchaus für sich selbst. Natürlich sind die Abenteuer teilweise etwas skurill, aber ich finde sie größtenteils nicht unbedingt schlecht. Und auch die oft erwähnte "Hotzenplotzigkeit" des Settings, die Ausflüge ins Märchenhafte, oder die Sci-Fi-Anleihen einiger alter Abenteuer lassen sich durchaus verstehen, wenn man sich einige Dinge vor Augen führt, die unter anderem mit der Entstehungszeit von DSA1 und der damals anvisierten Zielgruppe zu tun haben.

In den 80er Jahren gab es einen großen Fantasy-Boom. Bücher wie Die unendliche Geschichte, auch die Werke Tolkiens und Filme, wie Conan, der Barbar, oder auch Willow waren Kassenschlager. In Deutschland hörte man erstmals von diesem neuartigen Fantasy-Spiel namens Dungeos&Dragons und mit DSA versuchte Schmidt-Spiele damals ein Spiel vorzulegen, welches diese neue Spielidee aufgreift, dabei aber nicht allzu kompliziert und nerdig war. Es richtete sich vor allem an jugendliche Fantasy-Fans und Brettspieler*innen, die bisher keine Vorerfarung mit anderen Rollenspielen hatten. 

DSA führte die Spieler*innen in ein Aventurien, welches noch überhaupt nicht so ausgearbeitet war, wie heutzutage und
hatte auch garnicht den Anspruch, eine wirklich in sich schlüssige und "realistische" Fantaswelt zu präsentieren. Das alte Aventurien scheint mir vielmehr eine Art Parallel-Traumwelt darzustellen, ähnlich wie "Phantasien" aus der Unendlichen Geschichte von Michael Ende, ein Reich der Träume, Sagen, Märchen und Abenteuer in dem einfach alles möglich ist. DSA1 schafft es meiner Meinung nach gut, teils einen gewissen "Grimms Märchen-Flair" rüberzubringen und andererseits aber auch Fans von härterer Fantasy anzusprechen. Da wurde einfach alles reingehauen, was ging (und aus heutiger Sicht wohl nicht mehr geht). Die alten Abenteuer können durchaus atmosphärisch und spannend, aber auch witzig, ironisch und leichtfüßig sein. Meine eigene Erfahrung mit dem Spiel, vor allem, wenn man es auch mit unerfahrenen Spielern spielt, die noch nie ein Rollenspiel gespielt haben, zeigt, dass auch so berüchtigte Klassiker wie "Das Wirtshaus zum schwarzen Keiler", oder "Der Wald ohne Wiederkehr" die Spieler geradezu begeistern können, vorausgesetzt man leitet sie auch gut. Zudem lässt sich DSA1 auch super mit sehr jungen Spieler*innen spielen, die man an das Hobby heranführen will, auch wenn sie von Fantasy ansonsten kaum Ahnung haben. Fast jeder kennt klassische Märchen, Versatzstücke bekannter Sagen, Piratengeschichten, oder fantastische Kinderbücher ("Der kleine Hobbit" oder eben auch "Die unendliche Geschichte") und gnau dort holt DSA1 die Spieler ab und führt sie selbst ("verkleidet" als Krieger, Magier, Abenteuerer, Zwerg oder Elf) in so eine traumhafte Märchenwelt, um dort große Abenteuer zu erleben. Sogar die oft albern anmutenden Zauberformeln ("Bannbaladin - Dein Freund ich bin!", oder "Flim, Flam, Funkel - Licht ins Dunkel!") mit den dazugehörigen Gesten können am Spieltisch wirklich Spaß machen und irgendwie auch Stimmung aufkommen lassen, zumindest ist auch das meine Erfahrung.

Die einfachen Spielregeln tun das Ihre, um Neulinge sofort einsteigen zu lassen und stehen dem Spielfluss nie im Wege. Sie funktionieren geradezu intuitiv und sind äußerst schnell erklärt. Die Charaktere bestehen nur aus wenigen Spielwerten, aber gerade das lässt den Spielern viel Raum für Kreativität beim Ausschmücken der Figuren. In meiner allerersten DSA-Runde habe ich erlebt, dass ein Mitspieler den Spielleiter bei der Charaktererschaffung gefragt hat, ob sein Charakter die Form eines intelligenten und sprechenden kleinen Wirbelwindes haben kann. Der SL ließ dies (!) zu und somit hatten unsere Zwerge und Krieger einen ziemlich witzigen und interessanten Abenteuerer als Mitstreiter. Das war überhaupt kein Problem und es gab auch keinen Grund so etwas nicht zuzulassen. Aventurien war eben ein Reich der Fantasie ohne viele Vorgaben und Begrenzungen. Die Regeln lassen sich kinderleicht modifizieren und ergänzen, um sie den Ansprüchen der Gruppe gerecht zu machen. 

Das "Abenteuer-Ausbau-Spiel" mit den erweiterten Regeln machte das Spiel auch nicht viel komplizierter, sondern gab den Spieler*innen einfach ein paar Optionen, neue Charakterklassen und Zauber an die Hand, um ein wenig mehr Auswahl vorzugeben. Hier gab es zum ersten Mal auch mehr Informationen zur Spielwelt Aventurien, aber auch diese waren nur sehr vage und knapp gehalten, gerade genug, um ein bisschen mehr Tiefe zu erzeugen. Viele Details der Spielwelt wurden auch in den Abenteuern beschrieben, aber erst mit den  Boxen der zweiten Edition bekam Aventurien mehr und mehr die komplexe, ausgearbeitete Form, die wir heute kennen (und damit immer weniger Möglichkeiten für eigene Kreationen, zumindest wenn man by-the-book spielen wollte).

Wenn ich heute DSA spiele, dann ist es DSA1. Ich mag zwar auch komplexere Systeme, aber gerade die Leichtfüßigkeit und Offenheit der ersten Edition spricht mich immernoch sehr an. Ich besitze auch eine Menge Material späterer Editionen, aber für mich sind das gewissermaßen alles "Fußnoten" zu DSA1, die ich einfach nach Bedarf ausschlachte. Für mich ist es kein Problem ein DSA5-Abenteuer mit DSA1-Regeln zu spielen, wenn ich Lust drauf habe (ich stutze die NSCs und Gegner einfach auf DSA1-Format zurecht, das passt schon). Manchmal finde ich in neueren Regelbüchern Versatzstücke, die ich eins zu eins ins DSA1-System "einbauen" kann, wenn es gerade passt, um den Spieler*innen etwas mehr "Crunch" zu geben (zum Beispiel spezielle Boni von Gegenständen und Waffen aus den "Aventurischen Rüstkammern", die Regeln von Sonderfertigkeiten (DSA5), oder die Tabellen zur Bestimmung des Aussehens oder des familiären Hintergrundes der Charaktere (DSA2+3) fließen manchmal mit ein). Alles kein Problem! Einige DSA2-Abenteuer, wie "Das Grabmal von Brig-Lo", "Hexennacht", oder "Der Fluch des Mantikor" sind übrigens auch noch komplett DSA1-kompatibel und enthalten zum Teil weitere nutzbare Charakterklassen, wie die Hexe und den Schelm, samt dazugehöriger Zaubersprüche. 

"Mein" DSA ist also eine Art "Baukasten" auf DSA1-Basis und das funktioniert mit diesem System auch wirklich gut. Ich habe schon von Runden gehört, die eine ganze Reihe eigener Charakterklassen und Zaubersprüche für ihr Spiel entwickelt, oder welche von anderen Spielen, wie z.B. D&D für DSA1 umgeschrieben haben. Manche Runden nutzen DSA1 sogar für komplett andere Settings und spielen damit reine Sci-Fi-Abenteuer, oder entwickeln völlig eigene Welten. Der Fantasie sind bei bei diesem Urgestein des Rollenspiels also tatsächlich keine Grenzen gesetzt und es fordert einen praktisch dazu auf kreativ zu werden. 

Ich habe total Lust, bald mal wieder einen Fuß in dieses faszinierende, "alte" Aventurien zu setzen und mit meinen Mitspielern eines der vielen Klassiker-Abenteuer zu erleben! Meine Sammlung wächst stetig und da warten noch so einige Dungeons, Burgen, Städte (und das Orkland...) darauf, erkundet zu werden! Wer mal mitspielen will, sage bescheid, es gibt immer Platz für interessierte Nostalgiker!



 




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